Wie es zur ersten Waldorfschule kam

Der Erste Weltkrieg war eben zu Ende gegangen, die überlieferte Ordnung war zerbrochen oder am Zerbrechen. Viele Menschen suchten nach Ideen und Ansätzen, das zukünftige wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Leben, der geänderten Zeitlage gemäß, neu und menschenwürdiger zu gestalten.

Emil Molt, damaliger Direktor der Waldorf-Astoria-Zigarettenfabrik in Stuttgart, vergegenwärtigte sich die bildungsmäßige Situation seiner Firmenangehörigen in dieser Zeit des Umbruchs und entschloss sich, angeregt von dessen pädagogischen und sozialreformerischen Ideen, den Naturwissenschaftler, Goethe-Forscher und Philosophen Rudolf Steiner mit der Gründung einer Schule zu beauftragen.

Diese Schule, die im Frühherbst 1919 eröffnet wurde, trägt - damals wie heute - grundsätzlich andere Züge als die Schulen in staatlicher Trägerschaft. Sie versuchte, als 'staatsfreie' Schule von vornherein soziale Auslese und die damit ver?bundenen Ungerechtigkeiten im Bildungsangebot zu vermeiden.

Deshalb wurde sie als 'Gesamtschule' mit 12-jähriger Schulbildung für alle Mädchen und Jungen aller Religionsbekenntnisse eingerichtet - damals etwas durchaus Unübliches. Gegenüber dem gängigen System der Auslese erforderte dies eine neue Pädagogik individueller Förderung, also einen neuen Lehrplan, andere Unterrichtsmethoden und eine neue Unterrichtsorganisation, außerdem die Selbstverwaltung der Schule durch das Lehrerkollegium.

Übrigens wurden alle nachfolgenden Waldorfschulen auf eine andere Weise ins Leben gerufen.